Wasserressourcen: Konflikte entschärfen, Kooperationen fördern
Das EU-Projekt ?DAFNE? hat eine Methodik entwickelt, um Nutzungskonflikte bei grenz¨¹berschreitenden Fl¨¹ssen zu vermeiden. Mit dem modellbasierten Verfahren lassen sich Wasserressourcen partizipativ planen und kooperativ bewirtschaften. Die DAFNE-Methodik soll nun auch in anderen Regionen der Welt zum Einsatz kommen.
Fl¨¹sse sind die Lebensadern vieler L?nder. Sie schaffen wertvolle ?kosysteme, liefern Trinkwasser f¨¹r die Menschen und Brauchwasser f¨¹r die Landwirtschaft und Industrie. Insbesondere im Globalen S¨¹den herrscht ein starker Wettbewerb um den Zugang zu S¨¹sswasserressourcen. Durch die zunehmende Nutzung von Wasserkraft hat sich dieser Wettbewerb in j¨¹ngster Zeit noch versch?rft.
Zum Beispiel ?thiopien: Als das Land 2015 den Megastaudamm Gibe III am Fluss Omo zu f¨¹llen begann, fehlte flussabw?rts gelegenen Nutzern ein Teil des Wasservolumens. Die nat¨¹rlichen ?berflutungen fielen schw?cher aus und schwemmten weniger fruchtbaren Schlamm an die Ufer. Der Pegel des kenianischen Turkana-Sees, in den der Omo m¨¹ndet, sank vor¨¹bergehend um zwei Meter ab. Die Folgen f¨¹r die Menschen und die Landwirtschaft waren betr?chtlich.
Den Nexus adressieren
Das Wirkungsgeflecht zwischen Wasser, Energie, Nahrungsmitteln und ?kosystemen ¨C von Fachleuten als Nexus bezeichnet ¨C f¨¹hrt in den Einzugsgebieten von grenz¨¹berschreitenden Fl¨¹ssen h?ufig zu vielseitigen Konflikten. Einschneidende Infrastrukturbauten wie Staud?mme oder Bew?sserungsanlagen sorgten in der Vergangenheit immer wieder f¨¹r politische Spannungen zwischen Anrainerstaaten.
Ein internationales Forschungsteam unter Federf¨¹hrung der ETH Z¨¹rich hat nun ein strategisches Instrumentarium entwickelt, das solche Konflikte um die Wassernutzung entsch?rfen kann. Im Horizon-2020-Projekt ?externe SeiteDAFNEcall_made? der EU arbeiteten 14 Forschungspartner aus Europa und Afrika zusammen, um Wege hin zu einer gerechteren Bewirtschaftung von Wasserressourcen zu finden.
?Wir wollten zeigen, dass man den Nexus zwischen Wasser, Energie, Nahrungsmitteln und ?kosystemen auch in grossen und grenz¨¹berschreitenden Flusseinzugsgebieten mit verschiedensten Nutzern nachhaltig steuern kann?, sagt Paolo Burlando, Professor f¨¹r Hydrologie und Wasserwirtschaft an der ETH Z¨¹rich.
Interessen einbinden und ausgleichen
Es gilt heute zwar als anerkannt, dass man Wassereinzugsgebiete ganzheitlich planen und die Bed¨¹rfnisse aller Betroffenen ber¨¹cksichtigen sollte. Multidimensionale Entscheidungsprobleme mit etlichen Beteiligten erschweren es allerdings, allgemein akzeptierte L?sungen auszuhandeln.
?Konventionelle Planungswerkzeuge sind solchen Herausforderungen meist nicht gewachsen?, erkl?rt Burlando, der das DAFNE-Konsortium in den vergangenen vier Jahren geleitet hat. Deshalb entwickelte das Projektteam ein neuartiges Verfahren, mit dem sich Zielkonflikte im Wasser-Energie-Nahrungsmittel-Nexus abbilden und quantifizieren lassen.
Der Ansatz basiert auf den Prinzipien der partizipativen und integrierten Planung und Bewirtschaftung von Wasserressourcen, welche die Rolle und Interessen der Betroffenen betont. Die DAFNE-Methodik ist darauf ausgerichtet, Anspruchsgruppen einzubinden und gemeinsam Kompromisse und Synergien zu finden. ?Der Schl¨¹ssel liegt darin, L?sungen zu finden, die f¨¹r alle vorteilhaft sind, die Umwelt ber¨¹cksichtigen und auch wirtschaftlich Sinn ergeben?, erkl?rt Burlando.
Modelle, die den Dialog erm?glichen
DAFNE verwendet modernste Modellierungsverfahren und digitale L?sungen, um die partizipative Planung zu erm?glichen: Ein strategisches Entscheidungstool erlaubt es, die sozialen, wirtschaftlichen und ?kologischen Folgen von Eingriffen quantitativ zu bewerten. Anwenderinnen k?nnen damit gangbare Entwicklungspfade identifizieren. Ausgew?hlte Pfade werden mit Hilfe eines hydrologischen Modells und hochaufgel?ster Klimaszenarien detailliert simuliert, um die Auswirkungen auf die jeweiligen Wasserressourcen genau zu analysieren. Ein Visualisierungstool hilft schliesslich dabei, Zusammenh?nge zu verdeutlichen und Probleme aus verschiedenen Nutzerperspektiven zu betrachten.
?Die Modelle zielen darauf ab, die kontinuierliche Verhandlung zwischen den Interessengruppen zu erleichtern ¨C das ist ein Schl¨¹sselelement des DAFNE-Ansatzes?, sagt Senior Scientist Scott Sinclair, der den Modellierungsansatz mitentwickelt hat.
Fallstudien mit lokalen Stakeholdern
Im Fokus des DAFNE-Projekts standen zwei grosse Flussgebiete in Ost- und S¨¹dafrika, in denen die Forschenden ihre Methodik anhand von Fallstudien testeten: die Einzugsgebiete Omo-Turkana und Sambesi. In beiden Fallstudien waren reale Anspruchsgruppen in die Entwicklung der DAFNE-Ans?tze involviert. Sie setzten diese ein, um alternative Betriebsmodi von Kraftwerken und Bew?sserungsanlagen zu testen und nachhaltigere Nutzungsszenarien f¨¹r ihr Einzugsgebiet zu entwerfen. Ihre Standpunkte tauschten sie in simulierten Verhandlungen mit realen Konfliktparteien aus.
Im Omo-Turkana-Einzugsgebiet verwendeten die Wissenschaftler ihre Methodik f¨¹r eine retrospektive Analyse der umstrittenen zweij?hrigen F¨¹llphase des Megastaudamms Gibe III in ?thiopien. ?Wir stellten fest, dass die negativen Folgen f¨¹r die flussabw?rtigen Anrainer durch eine anhaltende D¨¹rre verst?rkt wurden?, berichtet Burlando. Die DAFNE-Forschungsgruppe der Politecnico di Milano konnte in einer Studie in externe SeiteNature Communicationscall_made mit Beteiligung von Burlando und Sinclair zeigen, dass sich die Probleme vermindern, wenn man die DAFNE-Werkzeuge mit D¨¹rreprognosen kombiniert und das F¨¹llregime an hydroklimatische Schwankungen anpasst.
D?mme weltweit auf dem Vormarsch
Die Ergebnisse der Studie sind hochaktuell: ?thiopien realisiert derzeit einen weiteren Megastaudamm im Omo-Turkana-Einzugsgebiet und bef¨¹llt den Grand Ethiopian Renaissance Dam am Blauen Nil. Weltweit sind rund 500 Dammprojekte in Regionen geplant, die vom Klimawandel betroffen sind. Wachsende Bev?lkerung und steigender Wohlstand werden die Nachfrage nach Energie, Nahrung und Wasser weiter erh?hen. Die Forschenden hoffen, dass die DAFNE-Methodik dereinst eine Referenz werden k?nnte.
?Wir haben die Modellierungswerkzeuge so konzipiert, dass sie auf andere Regionen mit konkurrierendem Wasserbedarf ¨¹bertragbar sind?, so Burlando. Bereits sind Folgeprojekte angelaufen, um die Technologie in weltweit mehreren Einzugsgebieten anzuwenden und weiterzuentwickeln.
Literaturhinweis
Zaniolo M, Giuliani M, Sinclair S, Burlando P, Castelletti A. When timing matters ¨C misdesigned dam filling impacts hydropower sustainability. Nat Commun 12, 3056 (2021), doi: externe Seite10.1038/s41467-021-23323-5call_made